KI-Tools im Test – Wenn es um künstliche Intelligenz (KI) geht, kommt man derzeit nur schwer an ChatGPT vorbei. Im Mai 2023 war der dazugehörige Wikipedia-Artikel auf Platz 3 der weltweit meistbesuchten Wikis (Statista). Als Zukunftsinstitut befassen wir uns seit Jahren mit den entscheidenden Technologien hinter KI, darunter Machine Learning, Deep Learning, Large Language Models oder Computer Vision. Wir wenden regelmäßig KI-Tools an und unterstützen unsere Kunden dabei, sinnvolle Anwendungsfälle für ihre Prozesse zu identizifieren.
Weltweite Aufmerksamkeit zog im November 2022 das US-amerikanische Unternehmen OpenAI, deren wichtigste Geldgeber Elon Musk und Microsoft maßgeblich die Entwicklung beeinflussen, mit dem Sprachmodell ChatGPT auf das Thema. Abgesehen davon hat die Firma von Sam Altmann die grafische KI DALL-E veröffentlicht, mit der durch kurze Eingaben in Sekundenschnelle Bilder erzeugt werden. Darüber hinaus gibt es inzwischen tausende ähnliche Anwendungen weltweit im Umfeld generativer KI, dem Stichwort für derartige KI-Tools.
Ja, auch in und aus Deutschland!
KI-Tools im Test – Deutsche KI: Aleph Alpha Luminous versus OpenAI
Der wohl bekannteste deutsche KI-Anbieter im Umfeld generativer KI ist Aleph Alpha. Das eigene Sprachmodell Luminous macht OpenAIs ChatGPT wahre Konkurrenz und ist eigenen Angaben zufolge sogar effizienter – das könnte daran liegen, dass es mit etwas weniger Parametern trainiert wurde und daher logischerweise weniger Speicherplatz und Rechenpower für die Vorhersage benötigt. Wir haben uns Luminous genauer angeschaut, um die Leistungsfähigkeit auf Herz und Nieren zu prüfen.
Dazu haben wir uns einen naheliegenden Use Case für Entscheidungsträger vorgenommen: Die Zusammenfassung eines Textes in die Kernaussagen an einem konkreten Beispiel.
Im November 2022 veröffentlichte PROFORE-Gründer Kai Gondlach auf seiner Website ein KI-Whitepaper für Einsteiger mit dem provokanten (Unter-)Titel: „Künstliche Intelligenz und das Ende von ‚made in Germany'“ inklusive einer Checkliste für den niederschwelligen Einstieg ins Thema. Das Whitepaper ist im Reintext 16 Seiten lang (5470 Wörter), die gestaltete PDF-Datei umfasst 26 Seiten. Wem das zu viel ist, könnte sich eine kurze Zusammenfassung wünschen. Genau das haben wir mithilfe von Aleph Alphas Luminous getan, hier ist das Ergebnis – die rot markierten Stellen erklären wir unten.
- Künstliche Intelligenz ist eine Technologie, die in den nächsten Jahren massiv an Bedeutung gewinnen wird. Sie wird die Art und Weise, wie wir arbeiten, lernen und leben, grundlegend verändern.
- Künstliche Intelligenz ist ein wichtiger Faktor für die Zukunft der Wirtschaft. Wer nicht in diesem Jahr erste KI-Projekte realisiert, kann schon Unterlagen für das Insolvenzverfahren im nächsten vorbereiten.
- KI ist ein Buzzword, aber es ist wichtig, dass Sie verstehen, was KI ist und wie Sie sie einsetzen können.
- Andrew Ng, einer der weltweit führenden Entwickler künstlicher Intelligenz, sagt, dass KI in den nächsten Jahren alles verändern wird.
- Künstliche Intelligenz wird die Welt verändern, aber auch zu Ungleichheiten führen.
- In Deutschland ist das Internet #neuland, Hightech passiert nur hinter verschlossener Tür und die Politik findet nur Floskeln für den Umgang mit der wachsenden Digitalisierungskluft.
- Künstliche Intelligenz ist ein Begriff, der in der Öffentlichkeit oft verwendet wird, aber nicht immer das meint, was die Experten darunter verstehen.
- Künstliche Intelligenz ist eine Technologie, die Maschinen ermöglicht, Probleme zu lösen, die bisher nur Menschen lösen konnten.
- Künstliche Intelligenz ist ein wichtiger Teil der Digitalisierung. Sie wird vor allem durch maschinelles Lernen und künstliche neuronale Netze vorangetrieben.
- KI kann in vielen Bereichen helfen, fundamentale Probleme zu lösen. Sie kann aber auch missbraucht werden, um Wahlen zu beeinflussen oder Depressionen zu erkennen und sogar Suizide vorherzusagen.
- KI-Systeme liefern schneller und bessere Diagnosen als erfahrene Ärzte, beschleunigen die Entwicklung von Impfstoffen und helfen bei der Gesichtserkennung.
- KI-gestützte Systeme sind bereits in vielen Bereichen des täglichen Lebens angekommen. Sie werden immer sicherer und zuverlässiger.
- Die schwache KI wird in allen Lebensbereichen Prozesse beschleunigen und nach dem Prinzip der Skalierbarkeit von Lösungen vielen Menschen zugutekommen.
- Die KI wird sich in den nächsten Jahren stark weiterentwickeln. Das wird zu einem Bewusstsein führen, das sich selbst infrage stellt und wirklich intelligent ist.
- KI wird in zwei Ausprägungen unterteilt: „gut“ und „böse“. Die „bösen“ KI-Systeme sind in der Science-Fiction bekannt, z.B. als Killerroboter.
- Die euphorischen Träumer erwarten, dass KI-Systeme alle Probleme der Welt lösen können. Klimakrise, Hunger, Kriege und Konflikte? Kein Problem! Die KI wird’s richten! Optimismus und Zuversicht sind persönlich grundsätzlich sehr gute Eigenschaften, wenn man Zukunft gestalten möchte. Wenn dies aber dazu führt, dass während der Vorbereitung für die Lösung von Problem X durch Plan A erstens kein Plan B entwickelt wird und zweitens das Verhalten, das das X-Problem ausgelöst hat, konstant bleibt, hat man am Ende vielleicht mit Zitronen gehandelt.
- Die Angst vor starken KI-Systemen ist unbegründet. Sie sind nicht in der Lage, die Menschheit zu versklaven.
- Künstliche Intelligenz ist ein sehr komplexes Thema. Es gibt viele unterschiedliche KI-Systeme, die sich in ihrer Funktionsweise stark unterscheiden. Die meisten KI-Systeme sind nicht in der Lage, eigenständig zu handeln. Sie können nur auf Basis von Daten lernen und auf diese Weise bestimmte Aufgaben lösen.
- Die Extremtypen dominieren die Medienberichterstattung, aber die Visionenlosen entscheiden über unsere Zukunft.
- Künstliche Intelligenz ist weder besonders künstlich noch intelligent. Sprechen Sie stattdessen lieber von maschinellem Lernen bzw. maschinellem Trainieren.
- „Made in Germany“ ist ein Qualitätssiegel, das weltweit für hohe Qualität steht.
- Deutschland hinkt bei digitalen Produkten weit hinterher. Das liegt an der Trägheit der deutschen Wirtschaft.
- Deutschland ist ein Entwicklungsland, das von den Supermächten mit Hilfspaketen unterstützt wird.
- Deutschland wird in den nächsten Jahren massiv von China überrundet werden, wenn es nicht selbst massiv in KI investiert.
- China ist ein Entwicklungsland, hat aber einen riesigen Binnenmarkt.
- Die Angst vor der massenhaften Vernichtung von Arbeitsplätzen durch KI ist berechtigt, weil man die Entwicklung nicht verhindert.
- Die Einführung von KI-Lösungen wird Arbeitsplätze kosten. Das ist bei jeder Welle der Industrialisierung so gewesen.
- Die deutsche Ingenieurskunst ist weltweit anerkannt, aber die Innovationslogik ist veraltet.
- Die deutsche Tüftlerseele ist geprägt von der Idee, dass eine Innovation erst dann erfolgreich ist, wenn ein Patent eingetragen und ein Produkt perfekt durchdacht, getestet, makellos hergestellt ist. Der Prozess dauert mehrere Jahre, verschlingt horrende Entwicklungsgelder und Arbeitszeit – während in einem Bruchteil der Zeit anderswo eine weniger perfekte Lösung im Markt getestet und gemeinsam mit dem Abnehmermarkt optimiert oder schließlich verworfen wurde.
- Die großen G-MAFIA und BATs werden nicht zerschlagen, aber die Grundlage dieser Hoffnung ist ziemlich dünn.
- Die Digitalisierung wird viele Jobs kosten. Die EU muss die Digitalisierung regulieren, um die negativen Folgen abzufedern.
- Die EU hat 2021 eine Rahmengesetzgebung und vor allem strengere Regulierung für KI auf den Weg gebracht. Das heißt im Umkehrschluss, dass die Welt in drei Blöcke zerteilt wird: Nordamerika, EU und China.
- Die EU will die Datenhoheit über die Clouds. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber es ist nicht zu erwarten, dass sich die Tradition politischer Verhandlungen schlagartig ändert.
- Europa sieht sich in der Verantwortung, das kulturelle Erbe der Neuzeit, die freiheitlich demokratische Grundordnung und Humanismus in die Welt hinauszutragen. Doch die lange Epoche des Kolonialismus ist vorbei und die Chancen stehen nicht schlecht, dass China nach einigen unterdrückten Jahrhunderten zu historischer Stärke zurückgelangen wird. Das Vehikel auf dem Weg zur Weltherrschaft oder zumindest die Vorherrschaft im asiatisch-pazifischen Raum wird KI sein.
- Es ist richtig und wichtig, Technologien und Märkte zu regulieren. Und es ist im wahrsten Sinne natürlich, dass unterschiedliche Akteure unterschiedlichen Geschwindigkeiten folgen.
- Die Digitalisierung hat die Welt verändert. Die Märkte für haptische Güter und Waren sind weitgehend besetzt, aber die Digitalisierung hat eine neue Dimension des Verdrängungsmarkts hervorgebracht.
- Deutschland hat noch drei große Bereiche, in denen es sich behaupten kann: Industrie 5.0, die vernetzte Mobilität und die Digitalisierung der Landwirtschaft.
- Die Globalisierung ist noch lange nicht zu Ende, sondern wird im Zuge der Digitalisierung und anderer Entwicklungen aktuell in die letzte Phase der Hyperglobalisierung katapultiert.
- Nachhaltigkeit ist ein Megatrend, der die gesamte Wirtschaft erfasst. KI ist in allen Wertschöpfungsstufen unverzichtbar.
- Der Mensch ist wichtiger als die Technologie.
- Die Angst vor der Technologie ist nicht die Ursache für die Zurückhaltung bei der Einführung neuer Technologien. Vielmehr ist es die Angst vor dem verantwortungslosen Umgang mit der Technologie.
- Umfragen sind nicht immer aussagekräftig. Die Angst vor künstlicher Intelligenz ist real, aber nicht immer begründet.
- Die meisten Organisationen sprechen mit ihren Beschäftigten nicht über die Angst vor der KI, sondern bleiben beim Status Quo.
- KI wird alles verändern, sowohl gesamtgesellschaftlich als auch im Selbstverständnis der Organisationen, die sie einsetzen.
- Die deutsche Autoindustrie hat sich zu wenig auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet. Die deutsche Bevölkerung muss mehr Zukunftswissen erwerben.
- Die Zukunft ist eine Frage der Perspektive – und wird von denen gestaltet, die entschlossen handeln.
- Kai Gondlach ist Zukunftsforscher, Keynote Speaker und freier Journalist. Er unterstützt Organisationen als Foresight-Stratege.
Luminous‘ KI-Zusammenfassung im Check
Die von Aleph Alphas Sprach-KI Luminous erstellte Zusammenfassung zeigt uns drei Dinge:
- Luminous ist extrem effizient: Die Erstellung dieser kurzen Executive Summary dauerte weniger als 30 Sekunden. Die Stichpunkte zu lesen, dauert dann noch 1-2 Minuten. Um die Kernaussagen aus einem 26-seitigen PDF ohne Maschinenhilfe zu filtern, benötigt ein Mensch wenigstens 5 Minuten, so unsere Schätzung inklusive Selbstcheck. Viele drucken Texte auch heute noch aus, um mit Textmarkern über das Papier zu fliegen; diese Zeit und Ressourcen müsste man hier noch addieren. Auf den ersten Blick ist Luminous an dieser Stelle also wirklich sehr hilfreich.
- Tatsächlich sind hier nicht nur (Zwischen-)Überschriften oder fett gedruckte Stellen extrahiert und teilweise zusammengefasst bzw. paraphrasiert, sondern anhand der häufig auftauchenden Begriffe oder längerer Absätze wurden Gewichtungen vorgenommen. Das ist stark und bildet in etwa die Fokussierung menschlicher Leser:innen ab.
- Schließlich macht Luminous aber noch einige, teils gravierende Fehler. Die rot markierten Stellen deuten auf Mängel in der Zusammenfassung hin, in denen der Inhalt teils markant verändert wurde und Inhalte entweder verdreht oder falsch ergänzt wurden. Diese Schwäche ist nicht exklusiv für Luminous / Aleph Alpha, sondern spielt bei allen generativen KIs eine Rolle, denn: Sie haben kein eigenes Urteilsvermögen, keine eigene Ethik, sondern müssen immer auf den vorhandenen Datensatz zurückgreifen.
Natürlich haben wir uns auch mit ChatGPT in der frei zugänglichen und professionellen Variante (inkl. GPT-4) befasst. Die Erzeugung von viel Text in kurzer Zeit geht damit aktuell noch deutlich einfacher und schneller als bei allen anderen Modellen – der Use Case und das dahinter liegende Geschäftsmodell zielen ganz klar auf die Masse, was gut zu funktionieren scheint. Stichworte Hausaufgaben oder Pressemeldungen mit oder von ChatGPT. Für die Zusammenfassung von Texten wiederum hat bei uns ganz klar Luminous den Sieg erzielt: Einfach Word-Dokument hochladen und schnell ein recht solides Ergebnis zu erhalten, hat uns den Glauben an KI „made in Germany“ teilweise zurückgegeben. Doch viel wichtiger ist aus Sicht der Zukunftsforschung natürlich die Frage, wie sich KI in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weiterentwickeln wird. Da wir der Überzeugung sind, dass KI ähnlich wie die elektrischer Strom oder das frei zugängliche Internet (Web 1-3) einen erheblichen Entwicklungssprung für Unternehmen bedeuten kann.
Denn: Diese und ähnliche Systeme halten bereits Einzug in immer mehr Unternehmen. Angefangen im Marketing und den internen Kommunikations- und Wissensprozessen, doch auch an Schnittstellen der Produktion, Logistik, Forschung & Entwicklung und natürlich bei Management-Entscheidungen. Mit Sicherheit werden bei vielen ersten Gehversuchen auch Momente der Resignation auftreten, wenn die KI zunächst unerwünschte, unbefriedigende Ergebnisse zutageliefert. Doch ein Grundschulkind ist auch nicht geeignet für die Leitung einer Unternehmensabteilung – ähnlich ist die Situation mit vielen KIs heute. Wir müssen sie besser trainieren, personalisieren und in den eigenen Kontext integrieren. So wird ein Schuh draus.
Fazit
Der Reifegrad von KI-Lösungen ist Mitte 2023 auf einem Höhepunkt der bisherigen Entwicklung. Unternehmen und Politik müssen sich unbedingt mit den Einsatzmöglichkeiten beschäftigen, denn für die einen bedeutet der Einsatz von KI potenzielle Effizienzsteigerung in Abläufen entlang jedes Prozesses, für die anderen ist es unerlässlich, die Auswirkungen auf Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt zu antizipieren. Dafür benötigen alle Menschen wenigstens ein Verständnis der grundsätzlichen Anwendungsbereiche und potenziellen Risiken, denn sonst könnten die schlimmsten Erwartungen hinsichtlich KI tatsächlich wahr werden – nicht durch eine böse gewordene Terminator-KI, sondern infolge der schrittweisen KI-Revolution der Pioniere, die ihren Wettbewerb durch Effizienzsteigerungen überholt haben werden.
Foto: Yanick von Unsplash